Periinfektiöses und perioperatives Management klassischer und neuer Basistherapeutika

Patienten mit entzündlich rheumatischen Systemerkrankungen werden heute entsprechend der Leitlinien der Europäischen (EULAR) und Deutschen (DGRh) Gesellschaft für Rheumatologie möglichst frühzeitig mit immunmodulierenden Medikamenten (Disease-modifying antirheumatic drugs, kurz DMARDs) behandelt. Hierdurch kann das Behandlungsziel einer Krankheitsremission oder einer zumindest niedrigen Krankheitsaktivität („low disease activity“) häufig erreicht werden, sodass ein weitgehend normales Leben geführt werden kann.

Nachfolgend werden auf Grundlage der aktuellen Empfehlungen der Kommission Pharmakotherapie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), welche unter Leitung von Professor Dr. med. Klaus Krüger erarbeitet und in der Zeitschrift für Rheumatologie 2017 veröffentlicht wurden, Empfehlungen zum Umgang mit DMARDs zu folgenden Fragen gegeben:

  • Wie sollte man sich im Falle einer aktuellen Infektion verhalten?
  • Wie sollte man sich im Falle geplanter Operationen verhalten?
  • Wie sollte man sich im Fall ungeplanter Operationen verhalten?
Kortikosteroide, DMARDs und akute Infektionen

Bei dauerhafter Therapie mit Kortikosteroiden („Kortison“) besteht ein grundsätzlich erhöhtes Infektrisiko. Dies ist abhängig von Dauer und Dosis der Kortikosteroidtherapie. Daher sollte die Kortikosteroidtagesdosis möglichst niedrig sein und die Therapiedauer, so möglich, auf weniger als sechs Monate begrenz sein. Eine kurzfristige Unterbrechung der Therapie im Falle einer aktuellen Infektion oder Operation sollte aber nicht erfolgen.

DMARDs, also klassische Basistherapien, Biologika und Kinasehemmer sollten im Falle einer akuten Infektion (möglichst bei den ersten seriösen Anzeichen) pausiert werden, da bei dieser Medikamentengruppe die akute Infektabwehr eingeschränkt ist. Der Einsatz von Antibiotika und Virostatika sollte in Abhängigkeit vom individuellem Risiko, Infektverlauf und früherer Erfahrung in Absprache mit dem behandelnden Haus- oder Facharzt durchaus frühzeitig erfolgen. Hierdurch können ein längerer Krankheitsverlauf bzw. eine Verschlechterung (z. Bsp. von akuter Bronchitis zur Lungenentzündung) im Einzelfall vermieden werden. Nach Abklingen des Infektes kann die DMARD-Therapie wieder begonnen werden. Dieses Vorgehen sollte aber immer individuell mit dem behandelnden Rheumatologen abgestimmt sein.

Krankheitsaktivität und Risiko schwerer Infektionen

Das Risiko Infekte zu erleiden steigt mit zunehmender Krankheitsaktivität rheumatischer Systemerkrankung deutlich an. Dies bedeutet am Beispiel der Rheumatoiden Arthritis (RA), dass mit steigender Krankheitsaktivität auch das Infektrisiko steigt. Eine prä- und perioperative Unterbrechung einer DMARD-Therapie stellt ein Risiko für einen Krankheitsschub der rheumatischen Grunderkrankung dar. Dies kann in der Folge zu vorübergehend erhöhtem Kortikosteroidbedarf mit postoperativ erhöhtem Infektionsrisiko, verminderter Remobilisation und somit erhöhtem sekundärem Komplikationsrisiko (Wundheilungsstörung, Phlebothrombose, etc.) führen. Es gilt daher eine Abwägung der jeweiligen Risikokonstellationen für den individuellen Patienten vorzunehmen.  Die wichtigsten Parameter stellen die Art des Eingriffs, die allgemeine Krankheits- und Patientencharakteristika und die Medikation dar .

Empfehlung des perioperativen Vorgehens bezogen auf die einzelnen Substanzen

Die Therapiefortführung einer Immunmodulation kann das postoperative Risiko für Infektionen und Wundheilungsstörungen steigern, zu langes Pausieren kann zu einem Schub der Grunderkrankung führen. Die Abwägung beider Aspekte ist für den individuellen Patienten wichtig.

Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR)

Unter Therapie mit NSARs zeigt sich keine Zunahme eventueller Infektionskomplikationen. Auch finden bezüglich Blutungskomplikationen sich keine erhöhten Raten. Die Medikation sollte, einschließlich niedrig dosierter Acetylsalicylsäure, im Grundsatz präoperativ nicht pausiert wird. Das Risiko der unterbrochenen Therapie (Myokardinfarkt, Apoplexie, etc.) wiegt hierbei höher, als das assoziierte Blutungsrisiko. Allerdings muss die Nieren- und Leberfunktion beachtet werden, da sich diese perioperativ, auch in Zusammenhang mit der sonstigen perioperativen Medikation, verschlechtern kann.

Kortikosteroide

Unter Medikation mit Kortikosteroiden  besteht abhängig von der Tagesdosis, der Durchschnittsdosis und der Einnahmedauer ein erhöhtes Infektionsrisiko. Dieses ist bei Dosierungen unter 5 mg täglich nur leicht erhöht (RR 1,10), bei Dosierungen über 20 mg täglich jedoch deutlich erhöht (RR 1.85). Von besonderer Bedeutung ist, dass selbst eine moderate dauerhafte Kortikosteroidtherapie ein höheres Infektionsrisiko nach sich zieht, als die regelmäßige Einnahme des DMARDs Methotrexat! Die Kortikosteroiddosis sollte stabil auf einem möglichst niedrigen Niveau fortgeführt werden, wenn sie nicht im Vorfeld bereits beendet werden konnte. Eine perioperative Kortikosteroidstoßtherapie ist aus den genannten Gründen möglichst zu vermieden. Die perioperative Stressprophylaxe ist bei Tagesdosierung unter 20 mg täglich nicht zwingend notwendig Hierzu finden sich aber unterschiedliche Festlegungen seitens der Kollegen der Anästhesie, sodass dies im Einzelfall besprochen werden sollte.

Konventionell synthetische DMARDs (csDMARD)

Methotrexat kann perioperativ bis zu einer Dosierung von 15 mg wöchentlich unverändert  fortgeführt und eingenommen werden. Bei höheren Dosierungen wird aktuell die perioperative Dosisreduktion auf 10 – 15 mg wöchentlich empfohlen. Die Nierenfunktion sollte in diesem Zeitraum aufgrund der perioperativen Belastung engmaschiger überwacht werden. Die Dosis kann nach Abschluss der Wundheilung wieder auf das vorherige Niveau gesteigert werden. Bei Vorerkrankungen (COPD, Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz) besteht ein insgesamt erhöhtes Komplikationsrisiko, sodass das Vorgehen hier individuell festgelegt werden sollte.

Leflunomid kann perioperativ, insbesondere bei kleinen Eingriffen mit geringem Infektionsrisiko (z. Bsp. Karpaltunnelsyndrom) weiter eingenommen werden. Bei größeren Eingriffen mit erhöhtem Infektionsrisiko sollte die Medikation pausiert und zusätzlich mit Colestyramin oder Aktivkohle „ausgewaschen“ werden (z. Bsp. Colestyramin 8 mg dreimal täglich über 5 Tage). Die Therapie kann nach Abschluss der Wundheilung wiederaufgenommen werden.

Gold, Sulfasalazin und (Hydroxy-)Chloroquin weisen kein erhöhtes Infektionsrisiko aufweisen und können daher perioperativ weiter eingenommen werden.

Bei niedriger Krankheitsaktivität und leichtem Krankheitsverlauf können Azathioprin, Cyclosporin, Tacrolimus und Mycophenolat-Mofetil7 Tage präoperativ pausiert und 3 - 5 Tage postoperativ wiederbegonnen werden.. Bei hoher Krankheitsaktivität und schwerem Krankheitsverlauf sollte die Medikation jedoch fortgeführt werden.

Gezielt synthetische DMARDs (tsDMARD)

Die relativ neue Substanzgruppe der Janus-Kinase-Inhibitoren (Baricitinib und Tofacitinib)hat eine kurze Halbwertszeit. Derzeit wird eine Pause von 1 Woche präoperativ empfohlen. Die Therapie kann nach Abschluss der Wundheilung wiederaufgenommen werden.

Für den prä-, peri- und postoperativen Umgang mit Apremilast (Phosphodiesteras-4-Inhibitor) fehlen noch aussagekräftige Daten. Basierend auf dem guten Sicherheitsprofil und der kurzen Halbwertszeit sollte nur bei größeren Eingriffen mit erhöhtem Infektionsrisiko die Therapie 3 Tage präoperativ pausiert werden. Die Therapie kann nach Abschluss der Wundheilung wiederaufgenommen werden. Bei kleinen Eingriffen mit geringem Infektionsrisiko (z. Bsp. Karpaltunnelsyndrom) kann Apremilast weiter eingenommen werden.

Biologika (bDMARD)

In den ersten 6 Monaten nach Therapiebeginn mit einem Biologikum zeigt sich ein allgemein erhöhtes Infektionsrisiko. Elektive, also planbare Operationen sollten somit erst 6 Monate nach neu begonnener Therapie durchgeführt werden.

Bei unsicherer Datenlage ist der Sicherheit des Patienten Vorrang zu geben und führt in den deutschen wie auch in den amerikanischen Empfehlungen, auf die sich die deutschen Empfehlungen unter anderem beziehen, zu der Maßgabe, die Biologika-Therapie perioperativ zu unterbrechen. Als Orientierungsgröße für das präoperative Absetzen bei größeren Eingriffen mit erhöhtem Infektionsrisiko werden 2 Halbwertszeiten respektive das Dosierungsintervall mit Weglassen einer Gabe und dem Eingriff in der Woche danach empfohlen. Die Therapie kann nach Abschluss der Wundheilung wiederaufgenommen werden (Tabelle 2).

Bei der Substanzgruppe der Interleukin 6-Inhibitoren Sarilumab und Tocilizumab ist von besonderer Bedeutung, dass unter dieser Therapie die Dynamik des C-reaktiven Proteins (CrP) weitgehend entfällt und somit ein CrP-Anstieg bei Infektionen in der Regel nicht stattfindet. Auch ist eine adäquate Fieberreaktion ist weitgehend unterbunden.

Bei Rituximab sollte eine elektive Operation in möglichst großem Abstand zur letzten Infusion, also relativ kurz vor dem nächsten Infusionszyklus geplant werden. Bei dringender OP-Indikation stellt der Infusionszeitpunkt aber keine Kontraindikation zur dann notwendigen Operation dar. Das postoperative Kontrollmanagement muss dann aber u.a. bezüglich Infektionsrisiken intensiviert werden.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten
  • Patienten mit entzündlich-rheumatischen Systemerkrankungen weisen peri- und postoperativ ein erhöhtes Risiko für Infektionen und Wundheilungsstörungen auf.
  • Dies kann sowohl an der Aktivität der entzündlichen Grunderkrankung als am Einsatz von Kortikosteroiden und anderer immunmodulierender Medikamente liegen.
  • Das Infektionsrisiko unter Kortikosteroiden wird häufig unterschätzt. Es liegt dosisabhängig deutlich über dem der DMARDs.
  • Die prä- und perioperative Unterbrechung der antirheumatischen Therapie kann einen Krankheitsschub nach sich ziehen, welche eine Erhöhung der peri- und postoperativen Komplikationsrate bedingen kann.
  • Der individuelle Stand der Krankheitsaktivität und das individuelle Infektionsrisiko stellen eine wichtige Rolle in der persönlichen Risikoabschätzung dar. Patient, Operateur und behandelnder Rheumatologe sollten sich in dieser Einschätzung abstimmen.
  • Methotrexat, als wichtigstes csDMARD, kann in der Regel perioperativ fortgeführt werden.
  • Bei Biologika wird eine Unterbrechung der Medikation mit 2 Halbwertszeiten empfohlen. Alternativ kann das Dosierungsintervall mit Weglassen einer Gabe unterbrochen werden. Die Durchführung des Eingriffs ist dann in der anschließenden Woche empfohlen.
  • Die jeweilige Medikation kann und sollte nach abgeschlossener Wundheilung wieder fortgeführt werden.
Literatur & Referenzen

1 Goodman S, Springer B, Guyatt G, Abdel MP, Dasa V, George M, Gewurz-Singer O, Giles JT, Johnson B, Lee S, Mandl LA, Mont MA, Sculco P, Sporer S, Stryker L, Turgunbaev M, Brause B, Chen AF, Gililland J, Goodman M, Hurley-Rosenblatt A, Kirou K, Losina E, MacKenzie R, Michaud K, Mikuls T21, Russell L, Sah A, Miller AS, Singh JA, Yates A. 2017 American College of Rheumatology/American Association of Hip and Knee Surgeons Guideline for the Perioperative Management of Antirheumatic Medication in Patients With Rheumatic Diseases Undergoing Elective Total Hip or Total Knee Arthroplasty. Arthritis Care Res (Hoboken). 2017 Aug; 69 (8): 1111 – 1124. doi: 10.1002/acr.23274.

2 Gualtierotti R, Parisi M, Ingegnoli F. Perioperative Management of Patients with Inflammatory Rheumatic Diseases Undergoing Major Orthopaedic Surgery: A Practical Overview. Adv Ther. 2018; 35 (4):439 – 456. doi:10.1007/s12325-018-0686-0.

3 Krüger K. Perioperatives Management bei Gelenkeingriffen unter immunsuppressiver Therapie. Z Rheumatol. 2017; 76: 767. https://doi.org/10.1007/s00393-017-0379-0.

Zurück