Arthritis urica
(Gicht)

Die Gicht ist eine Stoffwechselerkrankung, die durch eine erhöhte Harnsäure-Konzentration im Blut (Hyperurikämie) ausgelöst wird. Dauert die Hyperurikämie mit Werten über 7 mg/dl längere Zeit an, können sich Harnsäurekristalle im Gewebe (Tophi), den Gelenken (Arthritis urica) und den Nieren (Nierengrieß, Nierensteine) ablagern. Die Ablagerungen in den Gelenken verursachen zum Teil starke Beschwerden mit Schmerzen, Schwellung, Rötung und Überwärmung der betroffenen Gelenke.

Wer ist von der Gicht betroffen?

In den Industrieländern zählt Gicht zu den häufigsten entzündlichen Gelenkerkrankungen. Circa 80 % der Betroffenen sind männlich. Der erste Gichtanfall tritt meist im Alter zwischen 40 und 60 Jahren auf. Frauen sind gegen die Gicht bis zur Menopause weitestgehend aufgrund der weiblichen Geschlechtshormone geschützt.

Was sind die Ursachen der Gicht?

In den meisten Fällen ist die Gicht erblich bedingt (primär), in selteneren Fällen ist sie die Folge anderer Erkrankungen (sekundär).

Primäre Gicht
Bei 99 % der Betroffenen ist die Ausscheidungsfunktion der Nieren für Harnsäure eingeschränkt. In nur 1 % ist ein Enzym defekt, das am Auf- oder Abbau der Purine beteiligt ist.

Sekundäre Gicht
Eine purinreiche Ernährung (z. Bsp. übermäßiger Verzehr von Fruchtzucker, Fleisch, Fisch und Innereien oder übermäßiger Alkoholkonsum), Übergewicht, bestimmte Erkrankungen (z. Bsp. Blutkrebs, chronische Niereninsuffizienz, Diabetes oder Psoriasis) oder auch Medikamente (z. Bsp. Chemotherapeutika oder Diuretika) können zu einer Hyperurikämie und in der Folge zur Gicht führen.

Wie äußern sich die Beschwerden der Gicht?

Man unterscheidet zwischen der asymptomatischen, d. h. beschwerdefreien Hyperurikämie, der akuten und der chronischen Gicht.

Bei der akuten Gicht kommt es zu plötzlich auftretenden starken Schmerzen mit Schwellung, Rötung und Überwärmung der betroffenen Gelenke. Am häufigsten ist das Großzehengrundgelenk betroffen. Es können aber auch die Sprung-, die Ellbogen-, die Hand- oder Finger-Gelenke betroffen sein. Meist ist nur ein Gelenk betroffen, es kann in selteneren Fällen aber auch zu chronischem Befall mehrerer Gelenke kommen.

Bei der chronischen Gicht kommt es in kurzen Abständen zu immer wiederkehrenden Gichtschüben mit plötzlich auftretenden, starken Schmerzen, Schwellung, Rötung und Überwärmung der betroffenen Gelenke. Ohne Behandlung kommt es zur Schädigung der Gelenke, zur Ablagerung von Harnsäurekristallen im Gewebe (Tophi) und den Nieren (Nierengrieß, Nierensteine), was wiederum zu Nierenkoliken und langfristig zu einer Nierenschädigung und auch einem Nierenversagen führen kann.

Wie wird die Diagnose der Gicht gestellt?

Werden Anzeichen für eine Gicht durch den Patienten oder betreuenden Hausarzt bemerkt, sollte, wenn möglich ein Spezialist, d. h. in diesem Fall ein internistischer Rheumatologe aufgesucht werden. Zunächst wird dieser den Patienten nach seinem allgemeinen Gesundheitszustand befragen (Anamnese). Dazu gehört das Erfragen von allgemeinen und speziellen Beschwerden, Vorerkrankungen, Risikofaktoren sowie der aktuellen Medikation. Anschließend erfolgt die körperliche Untersuchung und Blutuntersuchung. Eine ergänzende Bildgebung (Gelenkultraschall, konventionelles Röntgen, Computer- oder Kernspintomographie) kann weitere, wichtige Informationen liefern.

Zentraler Bestandteil der Diagnosestellung ist der mikroskopische Nachweis von Harnsäurekristallen in der Gelenkflüssigkeit des betroffenen Gelenks. Hierfür ist eine Gelenkpunktion notwendig.

Andere Erkrankungen mit ähnlichen Beschwerden

Aktivierte Arthrose

Eine aktivierte Arthrose kann im Einzelfall schwer von der Gicht zu unterscheiden sein. Bei Befall der Fingergelenke ist die RA von der Fingerpolyarthrose schwer zu unterscheiden. Hier können die Anamnese, die körperliche Untersuchung, die Blutuntersuchung, die Bildgebung und vor allem die diagnostische Gelenkpunktion wesentliche Hinweise geben.

Pseudogicht | Reaktive Arthritis | Psoriasisarthritis | Rheumatoide Arthritis

Wie wird die Gicht behandelt?

Die moderne Gicht-Therapie bündelt verschiedene Behandlungsansätze. Allgemeinmaßnahmen durch den Patienten und die betreuenden Ärzte sind:

  • Regelmäßige Kontrollen beim Hausarzt und internistischen Rheumatologen zur Beurteilung der Krankheitsaktivität, Therapieüberwachung und Optimierung der kardiovaskulären Risikofaktoren (Blutdruck, Blutfette, Blutzucker, usw.)
  • Bedarfsweise psychosomatische oder psychotherapeutische Mitbetreuung
  • Austausch mit anderen Betroffenen (Selbsthilfegruppen)
  • Vermeidung bzw. Korrektur von Übergewicht (Adipositas)
  • Ausgewogene und purinarme Ernährung mit mediterraner Kost, reduziertem Konsum von Fruchtzucker, Fleisch, Fisch und Innereien, reduziertem Alkoholkonsum, vermehrtem Konsum von Milchprodukten und Gemüse sowie ausreichende Flüssigkeitszufuhr)
  • Ausreichende Kalzium- und Vitamin D-Zufuhr
  • Alkohol nur in Maßen
  • Verzicht auf Nikotin
  • Regelmäßiger, aerober Ausdauersport (z. Bsp. dreimal wöchentlich à 30 Minuten)
  • Bedarfsweise ergo- oder physiotherapeutische Maßnahmen
  • Bedarfsweise nicht-medikamentöse und medikamentöse Schmerztherapie
Medikamentöse Therapie

Man unterscheidet grundsätzlich die kurzfristige Therapie des akuten Gichtanfalls und die langfristige Therapie zur Vermeidung neuerlicher Gichtanfälle.

Zur Therapie des akuten Gichtanfalls stehen Nicht-steroidale Antirheumatica (NSAR) wie Ibuprofen oder Diclofenac (topisch, d. h. lokal in Salbenform und systemisch in Tablettenform), Kortison (intraartikulär im Sinne einer therapeutischen Gelenkinjektion und systemisch in Tablettenform) und Colchicin (Gift der Herbstzeitlosen) zur Verfügung. Bei schweren Verlaufsformen wird das Biologikum Canakinumab eingesetzt.

Die langfristige Therapie zur Vermeidung neuerlicher Gichtanfälle hat das Ziel die Harnsäure-Konzentration im Blut zu senken. Hierfür stehen zwei Gruppen von Medikamenten zur Verfügung: solche, die den Abbau von Purin zu Harnsäure hemmen, sogenannte Urikostatika (Allopurinol oder Febuxostat), und solche, die die Harnsäureausscheidung, sogenannte Urikosurika (Benzbromaron, Probenecid oder Lesinurad).

In schweren Fällen kann auch Pegloticase eingesetzt werden.

Wie ist der Verlauf und die Prognose der Gicht?

Erhöhte Harnsäure-Konzentrationen im Blut können lange unbemerkt bleiben. Mit dem ersten Gichtanfall oder dem Auftreten von Nierensteinen macht sich die Erkrankung dann bemerkbar. Ohne Behandlung kommt es zur Schädigung der Gelenke, zur Ablagerung von Harnsäurekristallen im Gewebe (Tophi) und den Nieren (Nierengrieß, Nierensteine), was wiederum zu Nierenkoliken und langfristig zu einer Nierenschädigung und auch einem Nierenversagen führen kann. Abgesehen hiervon leiden circa 75 % der Gicht-Patienten am metabolischen Syndrom (Übergewicht, Bluthochdruck, erhöhte Blutfette und Störungen des Zuckerstoffwechsels). Somit kommt neben einer adäquaten Therapie der Gicht auch der Optimierung der kardiovaskulären Risikofaktoren eine wichtige Rolle zu. Ob die Gicht als eigenständiger, kardiovaskulärer Risikofaktor gesehen werden sollte, ist aktuell in Diskussion.

In diesem Text wird der Einfachheit halber zumeist die männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist dann in diesen Fällen selbstverständlich mit eingeschlossen.

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